Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster hat heute bekannt gegeben, dass am 13. Juni die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung des Historischen Seminars der WWU zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster veröffentlichen werden.

Hierzu hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn in einem Schreiben alle Haupt- und Ehrenamtli­chen im Bistum Münster angeschrieben.

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An die hauptberuflichen Mitarbeitenden und freiwillig Engagierten im Bistum Münster
08.04.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Westfälische Wilhelms-Universität Münster hat heute bekannt gegeben, dass sie am 13.Juni die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung des Historischen Seminars zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster veröffentlichen wird.
Ich bin den Wissenschaftlern der WWU Münster dankbar, dass sie sich der schwierigen Aufgabe der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und Ordensangehörige im Bistum Münster gestellt haben. Ich habe großen Respekt vor allen Betroffenen, die bereit waren, den Wissenschaftlern von ihren jeweiligen, persönlichen Leidensgeschichten zu berichten.

© Bischöfliche Offizialat Münster

Mir war es wichtig, die Verbrechen sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster in völliger Unabhängigkeit aufarbeiten zu lassen. Das bin ich als Verantwortungsträger in der katholischen Kirche insbesondere den Betroffenen schuldig. So hatten die Forscher den direkten und uneingeschränkten Zugang zu allen Akten, die sie untersuchen wollten. Auch die Entscheidung, wann und wie die Ergebnisse der Aufarbeitung veröffentlicht werden, lag und liegt einzig und allein in der Verantwortung des Forscherteams. Weder ich noch ein anderer Vertreter des Bistums werden vor der Veröffentlichung Einblick in die Ergebnisse der Studie der WWU Münster erhalten. Auch die Mitwirkung des Interventionsbeauftragten im Beirat des Historikerprojektes ruht seit einem Jahr aus diesem Grund.

Ich werde die Ergebnisse der Forschungsarbeit mit der Öffentlichkeit erst am 13. Juni erfahren. Im Anschluss werde ich die Studie gründlich lesen. Danach werde ich mich zu den Erkenntnissen aus der Studie äußern. Nach derzeitigem Stand werde ich das am 17. Juni tun. Dabei ist es mir wichtig, mich nicht nur gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit zu äußern. Mir ist sehr bewusst, dass Sie als Hauptamtliche und freiwillig in der katholischen Kirche im Bistum Münster Engagierte, die Ergebnisse der Studie im Juni aufmerksam wahrnehmen werden. Oft werden Sie schon heute in Mithaftung genommen für Untaten und Verhaltensweisen, die Sie nicht zu verantworten haben. Nach der Veröffentlichung der Studie wird das vielleicht noch einmal zunehmen.

Um so wichtiger ist es mir, dass Sie sich gut über den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster informieren können. Sie finden dazu schon heute vielfältige Informationen auf der Internetseite www.bistum-muenster.de/sexueller-missbrauch Wenn Sie zu dem Thema im Zugehen auf die Veröffentlichung im Juni oder danach eine Frage, eine Anregung oder Einschätzung haben, schreiben Sie gerne an die Interventionsstelle: interventionsbeauftragter@bistum-muenster.de Ich selbst möchte immer wieder versuchen, Sie ehrlich und transparent darüber zu informieren, was mich im Umgang mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs in unserem Bistum leitet.

Als Bischof von Münster sehe ich mich auch in der Verantwortung, die Ursachen sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen und Lehren daraus zu ziehen. Damit habe ich und damit haben wir schon begonnen. Sicher mache ich dabei auch Fehler und lerne hier gerade durch den unmittelbaren Kontakt mit Betroffenen ständig dazu.

Bei der Vorstellung der Zwischenergebnisse im Dezember 2020 sprachen die Forscher der WWU von einem „deutlichen Führungs- und Kontrollversagen der Bistumsleitung“ und ordneten dieses Versagen namentlich früheren Bischöfen und Generalvikaren des Bistums Münster zu. Diese Offenlegung und Transparenz sind aus meiner Sicht unumgänglich. Immer wieder haben Betroffene mir gesagt, wie unverständlich es für sie ist, dass Priester, die Menschen missbraucht haben, weiterhin im Dienst sein konnten und versetzt wurden. Die Betroffenen und auch die Öffentlichkeit haben ein Recht, zu erfahren, wer hierfür verantwortlich war.

Wir wissen – wie bereits erwähnt – nicht, was genau in der Studie stehen wird. Das betrifft auch mögliche konkrete Fälle, die darin unter Umständen beschrieben werden. Gleichwohl wird es so sein, dass die Ergebnisse der Studie mich und uns kaum überraschen werden, weil es inzwischen schon viele Untersuchungen zu dem Thema gibt. Die MHG-Studie vom Herbst 2018, die Studien aus anderen Bistümern, der Zwischenbericht, den die Wissenschaftler der WWU vorgestellt haben und zuletzt die Publikation „Katholische Dunkelräume“ vom Frühjahr dieses Jahres (zu finden auch auf https://www.bistum-muenster.de/fileadmin/user_upload/Website/Downloads/Rat-Hilfe/Ansprechpartner-sex-Missbrauch/2022-03-21-Intervention-Katholische-Dunkelraeume.pdf ) kommen zu eindeutigen Ergebnissen. Das gilt sowohl im Blick auf die systemischen und strukturellen Ursachen, die sexuellen Missbrauch begünstigt und ermöglicht haben als auch hinsichtlich der persönlichen Verantwortlichkeiten. Weil das so ist, werde ich für das Bistum Münster auch nicht erst nach dem 17. Juni damit beginnen,
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und zu handeln. Vielmehr habe ich und haben wir bereits einige Konsequenzen gezogen. Ich erwähne, weil ich das für sehr wichtig halte, neben der umfassenden Präventionsarbeit nur die Einrichtung der weisungsunabhängigen Interventionsstelle bereits vor drei Jahren und aktuell die Schaffung einer Stelle für Sexuelle Bildung.

Weitere Konsequenzen für den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster werde ich im Juni benennen. Zusagen möchte ich Ihnen im Blick auf die Veröffentlichung im Juni abschließend heute schon, dass wir vordringlich die Pfarreien und/oder Einrichtungen, bei denen möglicherweise erst durch die Untersuchung bekannt wird, dass bei ihnen Missbrauchstäter im Einsatz waren, umgehend unsererseits informieren und begleiten werden. Erste Ansprechpersonen sind Herr Frings und Herr Baumers von der Interventionsstelle. Aber auch seitens der Bistumsleitung werden wir uns den Fragen stellen, die sich dann in Pfarreien oder Einrichtungen möglicherweise ergeben. Selbstverständlich werden auch an anderen Orten in der Folge der Veröffentlichung Angebote gemacht werden. Denn es ist mir wichtig, aus möglichst vielen Feldern Rückmeldungen zu bekommen, wie die Studie gesehen wird und welche Konsequenzen sich die Menschen im Bistum Münster wünschen. Geben Sie dieses Schreiben von daher insbesondere und gerne an weitere freiwillig Engagierte bei Ihnen vor Ort, insbesondere an die Mitglieder der Pfarreiräte und Kirchenvorstände weiter, die ich leider nicht alle unmittelbar auf diesem Weg erreichen kann.

In der Hoffnung, dass diese ersten Informationen und Hinweise für Sie hilfreich sind, sende
ich Ihnen freundliche Grüße

Bischof Felix Genn